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Alles, was Sprache ist

Er ist gut herausgekommen

Wenn er so neben mir steht geht liegt schnauft – – – dann denke ich zwischendurch manchmal immer öfter fast immer immer: Er ist gut herausgekommen. Er hat keine Trophäen gewonnen, er ist kein Spitzensportlerhund, er gehorcht nicht wie eine Maschine, ich habe ihn nicht «hundertprozentig im Griff». Aber er ist gut herausgekommen. Trotzdem ist er gut herausgekommen. Auch deswegen ist er gut herausgekommen, weil er kein Trophäensammler, keine Maschine sein musste. Es hat mir immer vollauf genügt, wenn und dass er einfach ein Hund war. Ist – – –

Andere haben (haben) Hunde, die sind Schweizermeister, Weltmeister, Sonnensystemmeister, Milchstrassenmeister, die sind so brav und folgen derart aufs Wort, wie es heisst, dass ich fast ein wenig erschrecke, wenn ich sehe, wie sie gehorchend durchs Hundeleben defilieren. Rekruten. Generäle am anderen Ende der Leine. Keine Rede von Kooperation, Teamwork und wie das alles heisst. Da gibt es welche, die führen (führen) Hunde, die sie so gut im Griff haben (im Griff haben), dass ich erschrecke. Diese Hunde laufen nicht selten an der Leine. Die Besitzer (Besitzer) dieser Hunde sind verärgert, wenn man (ich) einen Hund hat (habe), der nicht ebenfalls so gut im Griff gehalten wird, dass er ständig an der Leine gehen muss.

Jetzt ist er grad wieder an der Leine gegangen, ich verbandelt mit ihm, er verbandelt mit mir, während 10 Tagen. Er ging lahm, das Kreuzband, eine Zerrung, die Tierärztin ist sich nicht sicher. Metacam, gegen die Entzündung und die Schmerzen; die Leine, gegen das Abdrücken, Herumtollen, Verschlimmern. Ist ihr Hund böse, fragt mich eine Frau, die ihren Hund wegzieht und an die Leine nimmt, sobald sie uns zwei Verbandelte entdeckt. – – – Er ist nur verletzt. Nur – – – Schon wieder – – – Es ist der freundlichste Hund der Welt, wissen Sie. Er liebt alle Lebewesen, stellen Sie sich das einmal vor. Wirklich, echt: die Liebe. Wenn Sie ihn kennen würden, würden Sie sagen: Ich möchte auch einmal von einem Menschen so geliebt werden wie von diesem Hund. So einer ist er, verstehen Sie. Jawohl, so einer, nur damit Sies wissen.

Böse? So ein Hanebuch, ich bitte Sie – – –

Er ist ein wertvoller Botschafter für die gefährdete Sache der Hunde. In defence of dogs – – –

Gestern kam der Bauernhund von der «Solitude» mit auf den Spaziergang. Die Hündin lief einfach mit. Eine halbe Stunde, dann ging sie zurück. Manchmal tut sie das. Wir waren im Jahr 1891, oder im Jahr 1920. Wir waren in einer Zeit, in der die Sache der Hunde noch nicht derart gefährdet war. Die Sache der Hunde – – – Es war ein schöner Spaziergang. Ohne Leinen.

Er ist vorsichtig mit Kindern, er dosiert genial.
Er jagt keine Biker, keine Jogger.
Wenn ich ihn rufe, kommt er in den allermeisten Fällen zurück.
Immer öfter auch von Rehen.
Er schleckt mir die Hand ab, jeden Morgen. Er kann ja nicht sprechen.
Er kann sprechen.
Er ist bescheiden.
Er ist weder als Weltmeister auf die Welt gekommen (wie heute so viele), noch will er einer werden (wie heute so viele).
Ich bin kein Star, ich will kein Star sein, flüstert er mir ins Ohr.
Wie schön, wie wunderbar, wie wohltuend, flüstere ich in sein Flatterohr zurück.
Er beobachtet mich, er liest mich und verhält sich dann als sorgfältiger Leser.
Ich will einfach mit dir sein, das genügt mir.
Mir auch.
Er tut alles, damit «das Soziale» stimmt. Wirklich alles.

Nein, er ist nicht böse.
Er ist beschämend gut.

Was immer man von einem Hund erwarten soll darf muss kann, er tut ist kann es. Und dann kommt noch dieser leuchtende Himmel, das Glitzern über ihm hinzu – All das, was er darüber hinaus ist, entschuldigung: das Engelhafte. Nehmt es mir nicht weg, bitte, ich glaube das wirklich – – –

Wenn Kinder erwachsen werden, denken Eltern vielleicht: Es war nicht selbstverständlich. Aber es ist gut herausgekommen.

Er ist bei mir, er ist gut herausgekommen.
Das liegt an ihm.
Ich hoffe, es werfe auch ein Licht auf mich.
Ein kleines, warmes Licht.

Am krispen Horizont wehen die kühlen Lüfte der Endlichkeit. Ich kann ihren Atem spüren, ihre kraftvollen, aufgeblähten Backen. Aiolos. Der Sack mit den ungünstigen Winden ist vernäht.

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«Das Glück auf seinem Gesicht spiegelt das Glück auf meinem».

Ich lasse ihn nach zehn Tagen, einmal mehr, von der Leine. Free, sage ich ihm, free. Das Glück auf seinem Gesicht spiegelt das Glück auf meinem. Ganz deutlich – – – Glück im Glück. Die Naht am Windsack hält. Wenn wir nur gut aufpassen. Ich passe auf. Du sowieso, du sowieso.


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