Der zweite – Sayonara, oshimai!

Den argen Versorgungsnotstand, vor dem sie uns immer arg gewarnt haben, wenn man die arg sicheren Brüteriche abstellt, haben wir jetzt, aber arg. Die Büchslein der Pandorita hat ein Gaumonster hervorgeboren. Da war ja immer arg viel Diminutiv in den Verlautbarungen der «Versorger»: Alles halb so schlimm! Gemach, gemach! Wir leben doch hier nicht im Wilden Westen!

Und plötzlich ist aus dem Diminutiv ein Superlativ, aus dem Bonsai ein Megai geworden.

Wie von Geisterhand. Du böses Erdbeben, du! Tsunami, du schlimmer Bub du!

Sie fangen schon wieder an, resp. sie fahren umgehend damit weiter: mit dem Kleinhäckseln, Pulverisieren, Zerdröseln. «Bei uns in der Schweiz gibt es keine so starken Erdbeben wie in Japan.»1 Woher der das nur hat?

1356 ist Basel faktisch dem Erboden gleichgemacht worden. Von einem massiven Erdbeben. Damals gab es keine Atomkraftwerke. Deshalb gibt es Basel wieder.

Dass die Schweiz erdbebistisch ein unbeschriebenes Blatt sei, ist schlicht und ergreifend brandschwarz gelogen, ich halte dafür: wider besseres Wissen.2

Tsunamis gibt es hier nicht. Der Bodensee ist zu klein. Wo sie recht haben, haben sie recht.

Die japanischen Atomkraftwerkbetreiber haben sich nach Tschernobyl herausgeredet, indem sie gesagt haben: Unsere sind sicherer als die.
Die schweizer Atomkraftwerkbetreiber reden sich nach Fukushima heraus, indem sie sagen: Unsere sind sicherer als die.

Sie, die haben Namen: Bush, Cheney, Rice, Sarkozy gehören in diesen Topf, es sind «Versorger», die ihr Geld mit diesem «Versorgen» machten und machen. Und es gibt Kohorten von Erfüllungsgehilfen, Karrern.

Muss ich jetzt auf mein doch schon fortgeschrittenes Alter hin noch auf die Strasse? «Kämpfen für Mutter Erde, für die Nachkommen»?

Das Grauenvollste ist, wie sich das «Reden darüber» abgeschliffen hat. Die Worte sind auf beiden Seiten leer. Ein Begriff gibt den anderen, tüpft ihn an in einem endlosen, automatisierten Ablauf. Es ist etwas anderes als die Responsorien bei Trakl, in dessen Gedichten sich die Worte fahl über die Zeilen hinweg anleuchten, und eines auch das andere «tüpft». Es ist etwas zutiefst grundlegend anderes. Ich möchte das so gerne krass und hitzig ausdrücken können, so, dass es die Haut verbrennt, in der Gurgel steckenbleibt, irritierend glitzert.

Ich kann es nicht. Ich gerate ganz ausser Atem, bin derangiert, gerate aus der Fasson.

Dann lass es doch, sagt Louise, my Southern Belle. Komm, ich mache dir einen Kaffee. Möchtest Du Stalder Schoggicrème dazu?
Am meisten hat mich bis jetzt der Film von diesem Hund gerührt, der bei seinem schwer verletzten Hundefreund ausgeharrt hat, verdreckt, verängstigt, schlotternd. Aber er ist an seiner Seite geblieben, hat ausgeharrt, standgehalten. Er hat etwas Grösseres im Herzen, für das es keinen Namen gibt, zum Glück keinen Namen gibt.

Das hat mir die Tränen in die Augen getrieben, und beim Anschauen dieses kleinen Nebenfilmchens habe ich das ganze Ausmass der Katastrophe begriffen.

Was für ein grossartiger Mensch, dieser Hund, habe ich gedacht. Da kann auch der japanische Kaiser einpacken. Der kann sowieso einpacken.


1 Heinz Karrer, CEO der AXPO Holding, am 15. März 2011

2 Das stärkste Erdbeben in den vergangenen 25 Jahren in der Schweiz war dasjenige vom 22. Februar 2003 mit Epizentrum in Saint-Dié im Elsass, 70 km von Basel. Es erreichte eine Stärke von 5.5 auf der Richter-Skala, der Erdbebenherd lag rund 10 km unter der Erde und es waren vereinzelt kleine Schäden zu verzeichnen. Diese scheinbare Ruhe führt zur ersten weit verbreiteten Irrmeinung, dass starke Beben in der Schweiz höchst selten oder gar nicht auftreten. Die Afrikanische Kontinentalplatte verschiebt sich aber weiterhin gegen Norden und stösst gegen den europäischen Kontinent. Die mit dieser Kollision verbundenen Kräfte, welche auch die Alpen gebildet haben, bauen Spannungen in der Erdkruste auf, die sich an vorhandenen Schwächezonen als Erdbeben abbauen.

Dort wo kleine Beben auftreten, kommen früher oder später auch einmal grössere Ereignisse vor. Diese weltweit gültige Beobachtung bildet die Grundlage zur Abschätzung der Erdbebengefährdung.
Das hochempfindliche Seismographennetz des Schweizerischen Erdbebendienstes hat in den
letzten 25 Jahren über 5000 Erdbeben in der Schweiz und ihrer unmittelbaren Umgebung aufgezeichnet.
Die Auswertung dieser Daten sowie die historischen Überlieferungen von stärkeren Beben belegen die Aussage, dass im Mittel die Schweiz in 100 Jahren mit einem Erdbeben in der Grössenordnung der stärksten Erdstösse von 1997 in Umbrien rechnen muss. Letztere haben Tote und Verletzte gefordert, viele Häuser unbewohnbar gemacht und nichtreparierbare Schäden an historischen Bauten verursacht -- von den wirtschaftlichen Folgekosten ganz zu schweigen. Zudem zeigt das Basler Beben von 1356, dass auch noch stärkere Erdbeben auftreten können, wenn auch weniger häufig. [Quelle: ErdbebenRISK, http://www.erdbebenrisk.ch/erdbebench01.html, besucht am 17.3.2011
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