Knötchen in re Anxilla

Es war heiss, die heisstesten Tage des Sommers. Er mit seinem schwarzen Fell – – – Wir lagen unter dem Apfelbaum, im Schatten. Er legte sich zu uns. In den Schatten. Das ist meine Familie, denke ich. Es ist eine gute Familie. Der Apfelbaum trug dieses Jahr genau 4 Äpfel. Einer ist bereits heruntergefallen. Jetzt sinds noch drei.

«Knötchen in re Anxilla, gut verschieblich», steht auf dem Zettel der Tierärztin. Er liegt da, ich darf mein Bein auf ihm ruhen lassen. Er liegt da, selbstverständlich darf er seinen Kopf auf meinem Bein ruhen lassen. Es ist ein Lipom – – – Das hoffe ich – – Das sieht danach aus  – – – Keine weiteren, keine anderen Gedanken zulassen.

Er hat sich im Laub gesuhlt, nachdem er aus dem Brunnen im Wald gestiegen war, in dem er sich jeweils bis zur Nase eintaucht. Er hat sich nicht geschüttelt danach. Er sah sehr glücklich aus, so paniert wie er war. Er sah aus wie ein richtiger Hund, der ein richtiger Hund sein darf. Meistens. Fast immer.

Manchmal greife ich nach dem Knötchen. Dem Lipom – – – Es ist noch da. Es ist «leicht verschieblich», es wird nicht grösser. Lieber Gott – – –

Es ist wieder so heiss. Caniculae, man denkt an Caniculae. Die Hundstage. Ich gehe an den See mit den Hunden. Sie sollen sich abkühlen. Sie wollen sich abkühlen. Läuft der Brunnen noch – – – ist das Wasser im Napf frisch und nachgefüllt? Er liegt im Keller, dort ist es kühler.

Die Giardien haben wir «in den Griff bekommen».
Den Fliegenpilz.
Das Rückgrat. Das Frisbee – – –
Den gerissenen Muskel.
Die Wasserrute.
Das Loch im Auge.
Den Durchfall, den monatelangen, von den Giardien – – –

Beim Longieren hat er «den Knopf aufgetan». Wunderbar, wie er die Runden drehte, so aufmerksam. Das Knötchen behindert ihn nicht.

Ich telefoniere regelmässig mit Beat. Gowi hat einen Tumor im Kopf. Man kann ihn sehen, ein Buckel auf dem edlen Haupt. Gowi, der Onkel. Der Beschützer. Der Jugendfreund. Der Mentor. Der Freund. «Such a lovely, lovely, friendly dog». Nach dem Gewitter in den Grenchenbergen lagen sie beisammen auf dem Balkon und ruhten sich aus. Schnauze an Schnauze. Hellroter Schleim fliesst aus Gowis Nase. Er frisst jetzt das weiche Fresh-Futter. Hartes Futter schmerzt ihn beim Kauen. Man wacht auf in der Nacht, und man ist besorgt – – – Gowi atmet schnappend. Wenn er auf Besuch ist, freut er sich so sehr, uns und die Hunde zu sehen. Die Hunde und uns. Lieber Gott – – –

Er ist jetzt alt und krank. Er wurde von einem Schäferhund angegriffen. Er kann sich nicht mehr wehren. Neruda und Charly gehen sehr behutsam mit ihm um. In seiner Nähe schalten sie einen Hundegang zurück. Das ist keine Einbildung. Das ist so – – – Sie haben Gowi gern. Gowi ist immer noch Gowi. Hunde können vieles besser als wir.

Gowi – – –

Das Knöllchen bei Neruda wird nicht grösser. Es ist leicht verschieblich.

Es wird noch die ganze Woche heiss bleiben. Juan Rulfo fällt mir ein. Der Beginn des Romans «Pedro Páramo», wie «ich» an einem Hundstag herabsteigt nach Media Luna, mit einem Ochsentreiber. Es ist ein symbolisch gerahmtes Bild: Der Gang hinab in die Hölle, Chairon ein Ochsentreiber. Arriero heisst das auf Spanisch im Original, ich kann mich daran erinnern. Dann vergesse ich das Bild wieder, oder Nebel legt sich um es. Weil ich daran gedacht habe, wie es ihm wohl gerade geht, jetzt in dieser Hitze. Da kann ich nicht mehr an Romane denken, auch wenn sie so gut sind wie dieser, so suprem. Dann muss ich rasch nachschauen gehen und ihm über den Kopf streichen. Das supreme Haupt – – – Jetzt – – –
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